Känguruh-Film

 Berlin

Berlin – Ecke Bundesplatz


Die Filme von 1999


1: Der Prominenten-Anwalt
2: Bäckermeister im Kiez
3: Wilmersdorfer Witwen
4: Die nächste Generation
5: Die Alleinerziehende
6: Der Aussteiger





1: Der Prominenten-Anwalt


Rechtsanwalt und Notar Ülo Salm  Rechtsanwalt und Notar Ülo Salm

Ülo Salm bezeichnet sich als »Feld-, Wald- und Wiesenanwalt«, aber mit seinem Rolls Royce mit exquisiter Inneneinrichtung hat er einen Hang zur »Society« und zur Prominenz. So gehörte Bubi Scholz ebenso zu seinen Mandanten wie publicityträchtige Angeklagte im Mykonos-Prozess.

Salm spürt und registriert die Veränderungen im Osten sehr schnell und versucht, »joint ventures« in Estland und Moskau. Oder er kauft mit Partnern Schlösser in der Noch-DDR, um sie eines Tages in Golf-Hotels umzuwandeln.

Seine Frau Constance ist Top-Klatsch-Journalistin bei Massenblättern und liebt teure und schnelle Wagen. Nach der Scheidung reüssiert sie schnell als Boutiquebesitzerin, Teddybärherstellerin und Buchautorin. Herr Salm verlegt trendgemäß seine Kanzlei nach Berlin-Mitte und seinen Wohnsitz in eine Villa im Berliner Umland.


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2: Bäckermeister im Kiez


Familie Dahms  Familie Dahms

Familie Dahms betreibt eine bescheidene Bäckerei im Kiez. Herr Dahms ist der typische Kleinunternehmer im Kiez, der von morgens bis abends in der Backstube rackert. Seine Frau, eine rheinische Frohnatur, steht vorn im Laden. Hin und wieder leisten sie sich eine Busreise in den Soltauer Heidepark oder einen Tagesausflug auf einem Butterdampfer oder sie zocken auf der Trabrennbahn.

Eines Tages wird Herrn Dahms ein Tumor im Hals entfernt und er muss – auch angesichts der steigenden Mieten – den Laden verkaufen. Um seine Rente aufzubessern, arbeitet er als Hilfsbäcker bei türkischen Kollegen. Seine Frau verkauft Karten im nahegelegenen Eva-Kino.

Die Krebskrankheit und Gedanken an den Tod bestimmen ihr Leben. Der Feierabend findet regelmäßig in der Kneipe statt. In einem Winter fährt Familie Dahms nach Auschwitz, um sich alles genau anzusehen und um zuhause in der Kneipe den Sprüchen etwas entgegenhalten zu können.


10 Jahre lag Kalle Gerhus auf einer Bank im nahegelegenen Volkspark, trank und vegetierte als Penner vor sich hin. Einer seiner letzten Arbeitsplätze war die Bäckerei Dahms, zu Zeiten als der Laden noch lief. Mitleidige Bürger, auch Bäcker Dahms, steckten ihm Schrippen und andere Lebensmittel zu. Doch eines Tages zieht Karl Gerhus in ein Wohnheim, wird trocken, läßt seine Zähne machen, die Schuldnerberatung hilft ihm beim Tilgen von Altlasten und er nimmt einen Job als Pförtner beim Bezirksamt an. Bis heute ist er weg vom Alkohol und auf dem aufsteigenden Ast.
(Siehe dazu: Der Film »Grenzgänger« aus dem Jahr 2001.)


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3: Wilmersdorfer Witwen


Frau Tomaschefski  Frau Tomaschefski

Berta Tomaschefski ist 1897 geboren. Die alte Ostpreußin betrieb lange den Gemüseladen des Viertels und ist als rühriges Unikum bekannt und geachtet. Selbst kerngesund und topfit pflegt sie Wilmersdorfer Witwen, immer in der Hoffnung auf ein kleines Erbe. Ihrer Verwandtschaft aus Westdeutschland zeigt sie bei jedem Besuch die Mauer – bis die Mauer fällt.
Mit 94 wird Frau Tomaschefski hinfällig. Einen Herzschrittmacher lehnt sie ab. Ihre Enkelin bugsiert sie eines Tages ins Krankenhaus, wo sie nach ein paar Tagen stirbt.

Während in einer benachbarten Kellerwohnung alte Kameraden ihre Nazilieder grölen, wird Marlene Dietrich – auch eine große alte Dame – unter großer Anteilnahme auf dem Kiezfriedhof beigesetzt.



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4: Die nächste Generation


Michael Creutz heiratet Susanne Pantelmann  Michael Creutz heiratet Susanne Pantelmann

Thomas Rehbein und Michael Creutz sind zwei junge Männer, die unterschiedliche Ziele haben und Entwicklungen durchleben. Während der eine mit der Lehre unzufrieden ist, die Prüfungen versiebt und seinen Eltern auf der Tasche liegt, betreibt der andere Bodybuilding und bereitet sich auf die Schornsteinfegermeisterprüfung vor. Zuvor will Michael Creutz sich nochmal in Los Angeles austoben, mit der leisen Hoffnung auf einen Filmjob bei Schwarzenegger.

Zurück in Berlin rückt er nach der Wiedervereinigung auf Platz Eins in der Schornsteinfegerkehrliste und wird »Halbgott in Schwarz« in einem Ostberliner Bezirk. Jetzt wartet er vor der Eichenschrankwand auf die richtige Frau. Thomas Rehbein rafft sich zum Abendabitur auf und fängt mit 30 an zu studieren. Für ihn ist die Zukunft offen und ungewiß.

Michael Creutz wird endlich Vater und kommt seinem Traum von einer großen harmonischen Familie immer näher. Sofern die Frau mitspielt.
(Siehe dazu: Der Film »Vereinigungen« aus dem Jahr 2004.)


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5: Die Alleinerziehende


Marina ist alleinerziehende Mutter mit einem Kind und voller Optimismus und Tatendrang. Als sie zum zweiten mal schwanger wird, ist sie immer noch optimistisch. Aber sie verliert ihren Job, sinkt auf der sozialen Leiter rasch ab und wird krank.

Nach einer erfolgreichen Therapie wird sie Altenpflegerin und es scheint für einen kurzen Moment wieder steil aufwärts zu gehen. Doch dann kommt das dritte Kind. Sie ist strikt gegen Abtreibung, enttäuscht von den Männern und der Kälte der Großstadt. Sie sucht Halt bei ihrer Mutter, die zu ihrer Zeit fast das gleiche durchgemacht hat. Alles wiederholt sich.


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6: Der Aussteiger


Hans Ingebrand und Reimar Lenz  Hans Ingebrand und Reimar Lenz

Reimar Lenz ist Schriftsteller mit geringem Einkommen. Der Sohn einer renommierten Professorenfamilie verweigert sich dem Konsumdenken und lebt bewusst bescheiden mit einem Freund Wohnung an Wohnung. Sein Freund Hans Ingebrand ist Malerpoet.

Hans Ingebrand und Reimar Lenz leben in und agieren aus einer gesellschaftlichen Nische. Dort verkünden sie stolz: »Kultur ist, was man selber macht«. Vom Kulturbetrieb verstehen beide nichts. Wenn sie mal ausgehen, dann höchstens zu einer ›Mahnwache für Friedenspolitik und Menschenrechte‹ an der Gedächtniskirche.

Die einen bezeichnen sie als Aussteiger, sie selbst bezeichnen sich als Einsteiger in eine andere Art zu denken und zu leben.


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FILMINFO

Berlin – Ecke Bundesplatz

Eine Langzeitdokumentation von

Detlef Gumm und Hans-Georg Ullrich

Format

36 Kurzfilme à 30 Minuten und
sechs Langfilme à 90 Minuten, Farbe

Kamera

Harald Beckmann, Hans-Georg Ullrich

Schnitt

Simone Klier, Sybille Windt

Dramaturgie

Martin Wiebel

Musik

Arpad Bondy

Kameraassistenz

Franz Kozmus

Schnittassistenz

Mirjam Schwerk, Monika Smith

Mitarbeit

Claudia Dufke, Nils Jastram,
Ralf Klingelhöfer, Heiner Schlieper,
Jürgen Volkéry

Mischung

Manfred Herold

Danke an

Karl-Bernhard Koepsell,
Gert K. Müntefering,
Dieter Saldecki

Redaktion

Michael André

Produktion 1986 – 1999

Känguruh-Film GmbH, Berlin
im Auftrag von WDR, rbb und 3sat

Das Buch zur Serie

Von Peter Paul Kubitz

Berlin – Ecke Bundesplatz: Das Buch zur Serie

Erschienen im Henschel Verlag
ISBN: 3-89487-335-3