Känguruh-Film

 Berlin

Berlin – Ecke Bundesplatz


Die Filme von 2009


1: Mütter und Töchter Dienstag, 7. Juli 2009 um 23:00 Uhr auf 3sat
2: Die Aussteiger Mittwoch, 15. Juli 2009 um 22:55 Uhr auf 3sat
3: Schön ist die Jugend … Dienstag, 21. Juli 2009 um 23:00 Uhr auf 3sat
4: Die Köpcke-Bande Dienstag, 14. Juli 2009 um 22:55 Uhr auf 3sat
5: Der Yilmaz-Clan Mittwoch, 8. Juli 2009 um 22:25 Uhr auf 3sat
Interview mit den Machern





1: Mütter und Töchter


Ein einzigartiges filmisches Dokument eines sich scheinbar wiederholenden Kreislaufs über vier Generationen Mütter und Töchter. 1986 – 2008 · 90 Minuten


Marina Storbeck mit Mutter  Marina Storbeck mit Ihrer Mutter

Marina Storbeck wollte alles anders machen als ihre Mutter. Mit 18 Jahren flieht sie vor dem Stiefvater und den zerrütteten Familienverhältnissen in ihr eigenes Leben. Sie macht eine Ausbildung zur Krankenschwester und arbeitet fünf Jahre in ihrem Beruf.

Sabrina und Lukas Storbeck  Sabrina und Lukas Storbeck

1983 bekommt sie ihr erstes Kind, Jasmin, eine Tochter. 1987 folgt Sabrina, 1995 der Sohn Lukas. Drei Kinder von drei unterschiedlichen Männern. Für Marina Storbeck ist jedes Kind ein Geschenk, auch wenn es für sie als Alleinerziehende kein Entrinnen mehr aus der sozialen Abstiegsspirale zu geben scheint. Sie hofft, dass es ihren Kindern einmal besser gehen wird. »Die schafft das,« sagt sie von ihrer ältesten Tochter.

Jasmin Storbeck und Tochter  Jasmin Storbeck und Tochter Dilara

Auch Jasmin will alles anders machen als ihre Mutter, vor allem »keine Kinder und keine Stütze kriegen«.
2008  –  nach Höhen und vielen Tiefen  –  lernt Lukas, Marinas Sohn, eifrig für ein besseres Leben. Sabrina, die jüngere Tochter, hat eine gute Ausbildung, aber keine Stelle. Jasmin, die Älteste, hat weder Abschluss noch Job, aber Schulden. Sie lebt von Hartz IV, hat eine Tochter und ist alleinerziehend.


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2: Die Aussteiger


Porträt einer 20-jährigen Lebensgemeinschaft im Kontext der Berliner Subkultur vor und nach der Wende. 1986 – 2008 · 90 Minuten


Hans Ingebrand  Hans Ingebrand

Ganz ungefragt nehmen sie für sich in Anspruch, Einsteiger in ein vernünftigeres Leben zu sein: Reimar Lenz, der unangepasste Intellektuelle, der 22 Jahre lang 14-tägig seine bescheidene Stube zum politischen Salon verwandelte und Hans Ingebrand, der Ex-Polizist und malende Masseur.

Hans Ingebrand und Reimar Lenz  Hans Ingebrand und Reimar Lenz

Seit 37 Jahren ein Paar, seit 2002 Partner auf Lebenszeit, führen sie ein Leben jenseits von materiellem Luxus und bürgerlicher Abgesichertheit. Stattdessen haben sie höhere Ziele. Internationale, interreligiöse oder interkulturelle Verständigung liegt ihnen am Herzen. Mahnwachen, Friedensarbeit oder Diskutierzirkel bestimmen ihren Alltag.

Reimar Lenz  Reimar Lenz bei der Meditation

Aber auch diese »Aussteiger« werden nicht jünger, müssen sich mit dem Älterwerden, mit Krankheit und Tod auseinandersetzen.


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3: Schön ist die Jugend ...


Leben und Sterben im Kiez, ein ewiger Kreislauf. 1986 – 2008 · 90 Minuten


Bertha Tomaschewski  Bertha Tomaschewski, Wilmersdorfer Witwe

1987 ist Frau Tomaschefski 89 Jahre alt, fit wie ein Turnschuh und betreut – neben einer Hauswartsstelle – ältere Nachbarinnen und Kriegswitwen, die niemanden mehr haben, der sie versorgt. Frau Tomaschefski ist fast 95 Jahre alt, als sie, ähnlich allein, stirbt.

In ihren letzten Jahren wurde sie häufig unterstützt von dem Krankenpfleger Dirk Danker.

Familie Danker  Familie Danker

Jahre später hat dieser ein respektables Unternehmen mit vielen Mitarbeitern aufgebaut, das – zufälligerweise – im ehemaligen Gemüseladen der Ostpreußin Tomaschefski residiert.

Hochzeit  Hochzeit Familie Danker 1996

Der Pflegenotstand in Deutschland boomt. Die Überalterung der Gesellschaft, die zunehmende Vereinzelung und eine fragwürdige Gesundheitspolitik machen auch vor dem Bundesplatz nicht halt.
So betreut die Hauskrankenpflege Danker neben vereinsamten Alten und Kranken heute auch einen ehemaligen Rockstar, der allein im Rollstuhl sitzt.


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4: Die Köpcke-Bande


Das »Heile Welt«-Porträt einer seltener werdenden Lebensform:
Der bürgerlichen Familie. 1986 – 2008 · 90 Minuten


Uli und Niels Köpcke  Uli und Niels Köpcke

Niels Köpcke hat zwei Berufe: Sänger und Begräbnisredner. Seine Frau Uli war erst erfolgreiche Tänzerin, dann ebenso begeisterte Mutter und Hausfrau. 1988 sind die gemeinsamen drei Kinder Maria, Toni und Moritz noch klein und wachsen in einer wohlbehüteten, künstlerisch geprägten Familie auf.

Maria Köpcke mit Sohn Lovis  Maria Köpcke mit Sohn Lovis

20 Jahre später haben die Töchter ebenfalls eine künstlerische Laufbahn eingeschlagen. Aber obwohl sie auch Mütter geworden sind, haben sie ihre Gesangskarrieren nicht aufgegeben, sondern Möglichkeiten gefunden oder finden müssen, Kind und Karriere zu verbinden. Die Väter ihrer Kinder blieben dabei nur Lebensabschnittsgefährten.

Hochzeit  Hochzeit von Moritz Köpcke und Vivian

Sowohl Maria als auch Toni leben heute in neuen Beziehungen. Unverheiratet. Im Gegensatz zu ihrem Bruder Moritz, der seine langjährige, chilenische Freundin vors Standesamt führte und – karrieremäßig bedingt – mit ihr sehr bürgerlich in Schweden lebt.


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5: Der Yilmaz-Clan


Das Porträt einer typisch untypischen Familie mit Migrationshintergrund in Berlin. 1994 – 2008 · 90 Minuten


Nomadenzelt  Nomadenzelt in Malatya/Türkei

Die Eltern von Erol und Erdoğan Yilmaz wurden noch in Zelten geboren, denn die Großeltern lebten als kurdische Nomaden in den türkischen Bergen. Aber weil es Erol und Erdoğan einmal besser gehen sollte, zogen ihre Eltern in den 1960er Jahren nach Deutschland, stellten sich ans Fließband zum Geldverdienen und ließen ihre zwei Söhne bei den Großeltern in der Türkei. Erst als Halbwüchsige wurden die Jungen nachgeholt.

Erol Yilmaz mit Familie  Erol Yilmaz mit Familie

Heute leben 25 Mitglieder des Yilmaz-Clans in Berlin. Die Eltern leisten sich nach ihrer Rente eine Wohnung sowohl in Berlin als auch in Malatya und pendeln zwischen den Welten.

Erol Yilmaz  Erol Yilmaz

Erol Yilmaz wollte ursprünglich Archäologe werden und ist heute wie sein Bruder Erdoğan erfolgreicher Betreiber eines Reinigungsunternehmens. Seine Kinder sind in Deutschland geboren und fühlen sich mehr deutsch als türkisch.


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Interview mit den Machern von »Berlin – Ecke Bundesplatz«



Was bedeutet die Einladung zur Berlinale?

Hans-Georg Ullrich: In den Schulferien in den 1950er Jahren durfte ich zu meiner Tante Uschi nach Westberlin, Wilmersdorf fahren. Sie besuchte mit mir in ein Kino Nähe Bundesplatz. Dort sahen wir uns einen »Sissi«-Film mit Romy Schneider an. Ich war anschließend so aufgeregt, dass ich mit 39 Grad Fieber ins Bett musste.

Im gleichen Kino zeigt die Berlinale nun unsere Filme. Hier, in der unmittelbaren Umgebung, leben unsere Protagonisten, teilweise arbeiten sie hier, gehen in den Kindergarten, besuchen die Schule, ärgern sich über ihr Wohnquartier – oder lieben es. Mit vielen von ihnen bin ich heute befreundet. Dass ihre kleinen, für mich großen Lebensgeschichten direkt hier im Kiez am Bundesplatz gezeigt werden, damit erfüllt sich mir und uns ein lang gehegter Traum.



Detlef Gumm: Eine Einladung zur Berlinale mit gleich fünf Filmen ist die Krönung für das Lebenswerk eines Dokumentarfilmers.



Wo ist die Verbindungen zwischen »Kiezkosmos« und »Weltkugel«?

Hans-Georg Ullrich: Früher bekam man den Ratschlag: »Geh mal ein Jahr lang ins Ausland. Da lernst Du was fürs Leben.« Ich würde das heute etwas gegensätzlich sehen und sagen: »Schau dich sorgfältig in deiner unmittelbaren Umgebung um. Kümmere dich um deine alleinerziehende Nachbarin, sprich mal mit deinem Bäcker über seine Sorgen und Nöte. Was macht die türkische Familie in ihrer Freizeit? Von all diesen Menschen lernst Du genauso viel dazu fürs Leben.«



Detlef Gumm: Es gibt zwei Betrachtungsweisen. Das »große Ganze«, soweit man es überhaupt überblicken kann, und »Geschichte von unten« mit ihren Auswirkungen, die der normale Mensch, der so genannte kleine Mann, erlebt und spürt. Manchmal gibt es Überschneidungen mit großen Auswirkungen im kleinen Bereich.

Für viele unserer Protagonisten war die Wende am spektakulärsten, aber ebenso große Themen waren für sie Fragen der Migrationspolitik, das Wahlrecht für Ausländer, die Pflegeversicherung, die Kranken- und Altenpflege, Sterbehilfe, Inflation, Kindererziehung, Hartz IV, Zukunftsperspektiven und -ängste.



Wie würden Sie die 22 Jahre Arbeit am Projekt beschreiben?

Hans-Georg Ullrich: Diese 22 Jahre sind eine menschliche Bereicherung und gleichzeitig mein filmisches Lebenswerk. Mehr konnte ich mir nie wünschen.

Ich wünsche mir aber trotzdem etwas: Dass sich einige der Menschen, die unsere aktuelle Krise mit zu verantworten haben, einmal Zeit nehmen und den Menschen zuhören, die in unseren fünf Filmen zu Wort kommen.



Die Filmemacher Detlef Gumm und Hans-Georg Ullrich  Die Filmemacher Detlef Gumm und Hans-Georg Ullrich



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FILMINFO

Berlin – Ecke Bundesplatz

Eine Langzeitdokumentation

von Detlef Gumm und Hans-Georg Ullrich

Berlin – Ecke Bundesplatz 2009

Format

Fünf Filme à 90 Minuten, Farbe

Kamera

Michael Weihrauch
Harald Beckmann
Hans-Georg Ullrich

Schnitt

Simone Klier

Kameraassistenz ⁄ Ton

Patrick Protz

Musik

Andreas Brauer

Redaktion

Lucia Keuter (WDR)
Rolf Bergmann (rbb)
Reinhard Wulf (3sat)

Produktion 1986 – 2009

Känguruh-Film GmbH, Berlin
im Auftrag von WDR, rbb und 3sat

Faltblatt

Den Flyer zu diesen Folgen können Sie sich hier als PDF herunterladen. Zum Betrachten wird der kostenlose Adobe Reader benötigt.

Kinovorführung

Während der Berlinale wurden die fünf neuen Filme gezeigt im Cosima-Filmtheater, Sieglindestr. 10 (am Varziner Platz), 12159 Berlin,
direkt am S- und U-Bhf Bundesplatz.

Berlinale 2009